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Zeitungsinterview 2013 (Prof. Dr. Raasch und Prof. Dr. Götze)

Zeitung:

Der Sprachenrat Saar bemüht sich bekanntlich um die Förderung der Mehrsprachigkeit in der Region. Wir würden unsere Leserschaft gerne näher über Ihr Konzept informieren.

Sprachenrat:

Es wäre nach unserer Auffassung hervorragend, wenn wir Zwei- oder Mehrsprachigkeit bei uns im Saarland oder in der ganzen Großregion erreichen könnten. Der Sprachenrat Saar strebt dieses Ziel an, denn als Grenzregion gibt es hier Möglichkeiten, die man andernorts kaum in vergleichbarer Weise antrifft. Das Saarland könnte seine spezifischen Standortbedingungen noch besser als bislang nutzen und damit Vorreiter für andere Bundesländer und andere Grenzregionen der Bundesrepublik werden.  

Zeitung:

Wie stellen Sie sich die Mehrsprachigkeit im Saarland vor ? 

Sprachenrat:

Dem Saarland kommt ganz natürlich die Rolle zu, besonders das Französische zu pflegen, ohne dass das Englische dadurch vernachlässigt werden sollte. Diese Sprachen stehen nicht in Konkurrenz miteinander, sondern ergänzen sich, denn sie erfüllen ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Gerade von den regionalen Bedürfnissen geht unser Sprachenkonzept aus, in dem natürlich auch noch weitere Sprachen ihren Platz finden müssen, nicht zuletzt die Migrantensprachen. Wir haben ganz in unserer Nähe ein Beispiel für Mehrsprachigkeit, das viel Bewunderung erfährt, nämlich Luxemburg. Jeder Luxemburger spricht zumindest zwei Sprachen, zumeist aber drei, und das ist in der Tat bewundernswert. Man muss aber zugeben, dass die Bedingungen sehr unterschiedlich sind, und wenn wir diese Bedingungen nicht erfüllen können, werden wir diese Mehrsprachigkeit nicht auf das Saarland oder die Großregion übertragen können. Daher werden wir uns ein anderes Modell der Mehrsprachigkeit überlegen müssen, das unseren Bedingungen entspricht.

Zeitung:

Was meinen Sie, wenn Sie von „Bedingungen“ sprechen ? 

Sprachenrat:

Da ist zunächst einmal ein Unterschied im Schulsystem. In Luxemburg ist – von Kindern mit Migrationshintergrund abgesehen – das Letzeburgische die Haus- und Familiensprache, dann erfolgt in den unteren Klassen über mehrere Jahre der intensive Erwerb des Deutschen, das dann zunehmend und zum Ende des Gymnasiums ganz durch das Französische abgelöst wird. Saarländische Kinder sprechen zwar daheim vielfach einen Dialekt, der aber keineswegs denselben Status hat wie das Letzeburgische. Der Schulunterricht erfolgt dann durchgehend in deutscher Sprache, während das Französische eine Fremdsprache ist, die zwar hier und da bereits in zweisprachigen Kindergärten angeboten wird, die in den Grundschulen aber – abhängig von den Entscheidungen der Eltern – mit durchschnittlich zwei Wochenstunden kaum zu einer lebendig gebrauchten Sprache wird. Wenn man Glück hat, schließt sich der Fremdsprachenunterricht in der weiterführenden Schule an, aber nicht immer ist der Anschluss wirklich gesichert, und dann können die Jugendlichen das Französische auch schon bald wieder abwählen.  

Zeitung:

Mehrsprachigkeit ist natürlich auch anstrengend und bildet für viele Kinder eine Herausforderung. Und nicht alle Kinder bringen die notwendigen Kräfte auf, das muss man ehrlich sagen. 

Sprachenrat:

Was wir brauchen, ist eine gesellschaftliche Einsicht in die Notwendigkeit, die Kinder mit Sprachkenntnissen auszustatten, um ihnen vor allem berufliche Chancen in einem zusammenwachsenden Europa zu geben. Wir möchten, dass die Sprachen – zumindest die Sprachen der Region – im Erscheinungsbild des öffentlichen Lebens viel stärker als bislang präsent sind. Wir möchten, dass die Menschen die Mehrsprachigkeit wirklich erleben können, wenn sie die Zeitung aufschlagen, wenn sie das vertraute Fernsehen anstellen, wenn sie in die Veranstaltungskalender hineinschauen. Auch sollten das Straßenbild, die Geschäfte und ihre Auslagen, die Institutionen sich mehrsprachig zeigen. Es müsste auch gelingen, dass in den Schulen die Einsprachigkeit des Deutschen zugunsten mehrsprachiger Angebote und Kontaktmöglichkeiten eingeschränkt wird.  

Zeitung:

Unsere Lehrerausbildung müsste dann ja wohl verändert werden, oder ? 

Sprachenrat:

Die Grundlage für eine gelebte Mehrsprachigkeit ist sicherlich eine Lehrerausbildung, die nicht einsprachig erfolgt, sondern verpflichtend mehrsprachig ist. Das ist noch ein weiter Weg, bis dies gelingt. 

Zeitung:

Mehrsprachigkeit bedeutet ja wohl nicht, dass man in mehreren Sprachen alle vier Fertigkeiten gleichermaßen beherrscht. Für viele Anwendungssituationen genügt die Beherrschung des Mündlichen (vielleicht auch nur das Verstehen gesprochener Äußerungen), und andere Situation verlangen hauptsächlich die Schreib- oder Lesekompetenz.  

Sprachenrat:

Damit sprechen Sie einen wichtigen Punkt an, der aber in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig bedacht wird. Wir sollten im Verbund mit den Medien und in Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen, Kammern, Hochschulen und Lehrerverbänden darüber nachdenken, wie man den Sprachunterricht näher an die Gesellschaft und deren Bedarfe und Bedürfnisse heranführen kann.

Zeitung:

Müsste man nicht auch die Eltern zur Mitarbeit gewinnen ? 

Sprachenrat:

Da haben Sie natürlich Recht. In unserem Sprachenrat ist die Landeselternschaft selbstverständlich vertreten, und wir sind mit ihr im Gespräch, um die Eltern davon zu überzeugen, dass auch sie eine besonders wichtige Rolle zu übernehmen haben, um die Kinder mehrsprachig aufwachsen zu lassen.

Zeitung:

Sehen Sie diese Notwendigkeit auch im Hinblick auf die Sprachen, die vielen Kindern durch ihren Migrationshintergrund bekannt sind ? 

Sprachenrat:

Es gibt dafür schon eine Reihe von Ansätzen, die aber ausgebaut werden sollen. Wir brauchen vor allem didaktische Handreichungen für den Englisch-odeer Französischunterricht von Migrantenkindern. Derzeit lernen sie diese Sprachen wie deutsche Kinder, was natürlich ein Unding ist. Deshalb scheitern auch viele von ihnen hier so häufig. In dieser Hinsicht würden wir uns eine enge Zusammenarbeit mit Luxemburg und mit Lothringen wünschen, denn wir haben alle vergleichbare Erfahrungen und könnten voneinander bestimmt lernen. Und da die Situationen in unseren Teilregionen doch sehr ähnlich sind, könnten wir uns vorstellen, dass wir eine gemeinsame Gesprächsplattform suchen sollten. Wir als Sprachenrat bieten gern an, in einer solchen Plattform mitzuarbeiten. Wir könnten uns sogar vorstellen, dass der Sprachenrat selbst diese Plattform bildet. Vertreter aus Luxemburg und ebenso aus Lothringen wären bei uns herzlich willkommen.

Zeitung:

Wenn wir diese Einladung weitergeben sollen, dann wäre ein Hinweis auf Informationsmaterial über den Sprachenrat von Interesse. 

Sprachenrat:

Sie können sich auf unserer Homepage informieren, z.B. über unsere Veranstaltungen, über unsere Satzung und unsere Veröffentlichungen. Die Adresse lautet: https://www.sprachenrat-saar.de