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Positionspapier zur Gelebten Mehrsprachigkeit im Saarland

Das neue Sprachenkonzept der Landesregierung konzentriert sich fast ausschließlich auf die Bereiche Vorschule und Schule. Es ist somit ein zwar notwendiger, aber kein hinreichender Schritt hin zu dem, was der Sprachenrat Saar seit seiner Gründung als Ziel anstrebt: „Gelebte Mehrsprachigkeit“ im Saarland mit dem Schwerpunkt auf der Nachbarschaftssprache Französisch plus Englisch als moderner lingua franca. Der Sprachenrat knüpft dabei an die Forderung des Europäischen Rates an, der das Konzept „Muttersprache plus zwei Fremdsprachen“ seit langem offensiv vertritt. Das Konzept „Gelebte Mehrsprachigkeit“ muss nach Auffassung des Sprachenrates Saar deshalb alle Bildungsbereiche, Politik und Verwaltung, Kultur sowie die Medien umfassen.

Die demographische Entwicklung im Saarland wird sich in den nächsten Jahrzehnten deutlich verschlechtern, während die Bevölkerungsentwicklung im benachbarten Lothringen sich als stabil erweist und sogar Zuwächse aufweist. Die bereits hohe Zahl von Lothringern, die im Saarland arbeiten möchten, wird so in Zukunft noch erheblich zunehmen. Gleichzeitig verfügen immer weniger junge Franzosen aus der Grenzregion über dialektale Kenntnisse oder ausreichende Fertigkeiten in der deutschen Standardsprache. Das Saarland braucht deshalb in Zukunft erheblich mehr französisch sprechende Führungskräfte in Handel, Industrie und Dienstleistung, um auf Dauer seine Wettbewerbsfähigkeit im nationalen und internationalen Rahmen zu sichern.

Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass auch im Bereich der Politik und Verwaltung sowohl auf regionaler wie auf kommunaler Ebene die Grenzregionen sich stärker als bisher vernetzen und intensiver zusammenarbeiten werden (Eurodistrikt, Eurozone, Quattropole etc.). Diese grenzüberschreitenden Strukturen werden jedoch nur gedeihen können, wenn über das bislang erreichte Maß hinaus Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltungen, aber auch politische Funktionsträger Französisch beherrschen, also eine französisch durchsetzte Infrastruktur entsteht, so dass eine Migration aus Luxemburg und Lothringen ins Saarland attraktiver wird. Zumindest auf Regierungsebene gibt es bereits vielversprechende Ansätze in der Personalpolitik: die Frankophonie in der Ministerialbürokratie ist z.T. vorbildlich entwickelt.

Neben diesem „pragmatischen“ Aspekt kann das Saarland mit einem umfassenden Konzept der „gelebten Mehrsprachigkeit“ eine Vorreiterrolle in der Bundesrepublik spielen und ein Alleinstellungsmerkmal erwerben, das aus ihm – jenseits wohlfeiler Marketing-Sprüche –  wirklich das „frankophonste Bundesland“ machen und seine Brückenfunktion nach Frankreich und seine Rolle als europäische Kernregion im Verbund mit den Nachbarn erheblich stärken würde. Kultur und Medien müssten dabei einbezogen und alle Bildungsbereiche auf das Globalziel „gelebte Mehrsprachigkeit“ verpflichtet werden.

Saarbrücken, Juni 2010